April 2021

Gestaltungsschule für positive Zukünfte

Im Rahmen des Hearings zur „Zukunft der Designausbildung“, entstand die Idee einer Gestaltungsschule für positive Zukünfte, deren übergeordnetes Ziel es ist, radikale Transformationen Richtung Nachhaltigkeit anzustoßen.

Im Rahmen des Hearings zur „Zukunft der Designausbildung“, welches vom 13. bis 15.März 2019 in Gmund am Tegernsee stattfand, entstand die Idee einer Gestaltungsschule für positive Zukünfte, deren übergeordnetes Ziel es ist, radikale Transformationen Richtung Nachhaltigkeit anzustoßen.

Erarbeitet wurde diese u.a. von Ursula Tischner (econcept – Agentur für nachhaltiges Design, Köln), welche das Konzept noch einmal exklusiv für das Magazin der iF Design Foundation zusammengefasst hat:

Die Menschheit steht vor großen Herausforderungen – und das nicht erst seit der Pandemie. Es wird immer deutlicher, dass die meisten seit der Industrialisierung entstandenen Systeme, seien es wirtschaftliche, technologische, politische oder soziale, nicht mehr – wie zu ihrem Entstehungszeitpunkt in den letzten rund 120 Jahren – dazu beitragen, dass es den Menschen auf diesem Planeten besser geht. Zusätzlich realisiert die große Mehrheit der Bevölkerung global, dass die Industrialisierung nicht nur auf Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten und Länder, sondern auch mit Übernutzung und Ausbeutung unseres Planeten einhergeht und so nicht weitergeführt werden kann, ohne unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu vernichten. Wir Designer:innen sind da involviert und müssen unsere Verantwortung ernst nehmen, gestalten wir zwar für Nutzer:innen, aber im Auftrag von profitorientierten Unternehmen und allzu oft noch für die Wegwerfgesellschaft.

Die Designschulen – bis auf wenige Ausnahmen – beginnen erst, sich diesen Fragen zu stellen, obwohl die Zusammenhänge schon seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt sind. Von Bildungsorten könnte man jedoch erwarten, dass gerade sie sich Zukunftsfragen stellen und wünschenswerte Zukünfte sowie die Schritte dorthin entwerfen. Gerade die Designausbildung mit ihrer Kombination von trans-disziplinär forschenden, kreativ entwerfenden und konkret umsetzenden Lehrinhalten ist hier in einer Pole Position.

Christoph Böninger und Ursula Tischner. Copyright: Gisela Schenker

Buddhistisches Kloster + Labor + Brücke + Park

Auf Basis dieser Ausgangslage entwarf eine Arbeitsgruppe im Gmunder Hearing das Konzept einer neuen „Gestaltungsschule für positive Zukünfte“. Diese Schule bildet Gestalter:innen aus, die ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung ernst nehmen und durch ihre intellektuellen, kreativen und umsetzenden Skills zum Überleben der Menschen auf einem lebenswerten Planeten Erde beitragen möchten. Im Workshop wurde das Symbol des Buddhistischen Kloster als Synonym für einen Ort der Einkehr, des Nachdenkens und Erforschens, aber auch des kritischen Hinterfragens und der Persönlichkeitsentwicklung, kombiniert mit einem großen Werkstattgebäude oder Labor, welches wiederum als Symbol für das Machen, das Experimentieren, das Anwenden von traditionellen wie fortschrittlichsten Werkzeugen der Gestaltung dient. Beide Bereiche werden verbunden durch ein Brücke, die den Blick auf den umliegenden öffentlichen Park voller Menschen frei gibt. Brücke und Park stehen dabei für praktische Projekte, die sich mit gesellschaftlich und ökologisch relevanten Themen beschäftigen, unter Einbezug von Einflüssen aus der Außenwelt und in konkreter Kooperation mit realen Akteuren. Diese Projekte haben somit immer auch das Ziel, positive Effekte in der realen Welt zu erzeugen.

Von positiver Motivation, Coopetition und Bootcamps

Formal soll die Schule keine Zugangsvoraussetzungen haben, sie soll offen sein für Begabte und Interessierte ohne Berücksichtigung von regulären Schulabschlüssen. Sie soll auch keine übertriebene Leistungskontrolle beinhalten, da mittlerweile ja hinlänglich bekannt ist, dass Menschen viel besser durch positive Motivation und Begeisterung lernen, als durch die Angst vor schlechten Noten. Elemente von gesunder Coopetition sind erwünscht, eher im Sinne von sich Messen und gemeinsam Wachsen. Es soll auch keine zeitliche Begrenzung der Studiendauer oder fixe Abschlüsse geben. Die Schule ist ein Ort des persönlichen Wachstums und erlaubt individuelle Wege durch die Lerninhalte mit modularer Struktur.

Grundkurse in Ethik & Ästhetik, Balance, Regeneration und ökologischem Fußabdruck gehören zum minimalen Pflichtprogramm. Fokussieren auf soziale Innovationen und das Nudging zu Verhaltens- und Bewusstseinsänderungen sind möglich. Wechselnde externe Gastdozent:innen vermitteln zeitaktuelle, aus verschiedensten Disziplinen stammende und zukunftsrelevante Inhalte. Umsetzende Skills werden in Workshops und Bootcamps angetriggert und können von den Studierenden selbständig weiter vertieft werden. In einer Zeit des Überflusses an Online-Tutorials für designrelevante Softwaretools kann das Erlernen solcher Tools sehr gut in die Verantwortung der Studierenden gelegt werden. Die Hochschule berät sie dabei.

So ist die Gestaltungsschule für positive Zukünfte ein Ort, an dem sowohl generalistische wie auch disziplinäre Inhalte vermittelt werden und an dem man das verantwortungsvolle Denken und das Machen erlernen kann ­– im eigenen Tempo und mit persönlicher Spezialisierung. Das übergeordnete Ziel ist es, radikale Transformationen Richtung Nachhaltigkeit anzustoßen und Wert für möglichst viele zu schaffen statt Wertschöpfung nur für Unternehmen. Dazu muss sich eine solche Institution dann auch mit den Geschäftsmodellen von Designer:innen und Unternehmen auseinandersetzen. Es gilt z.B., diverse Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten, von Crowd-Funding über öffentliche Zuschüsse bis zu innovativen Geschäftsmodellen, also Ansätze innerhalb oder außerhalb der vorherrschenden ökonomischen Systeme. Die Hochschule selbst kann ein solches unkonventionelles Geschäftsmodell etablieren.

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