Auftaktveranstaltung

27.10.2022

Symposium zur Zukunft der Designausbildung
Auftakt des gemeinsamen Projekts mit der neuen Sammlung München

Die iF Design Foundation und Die Neue Sammlung – The Design Museum starten im Hinblick auf den 100. Geburtstag der Neuen Sammlung einen gemeinsamen Campus. Den Auftakt bildete ein prominent besetztes Symposium zu Aspekten einer zukünftigen Designlehre im X-D-E-P-O-T der Pinakothek der Moderne.

Unter dem Titel „Designing Design Education – Impulse for a New Curriculum“ haben die iF Design Foundation und Die Neue Sammlung für drei Jahre ab 2023 ein gemeinsames Programm vereinbart. Zusammen mit internationalen Partnerinstitutionen wird an der Weiterentwicklung von Bausteinen gearbeitet, die zur Aktualisierung des Designstudiums genutzt werden können. Die Neue Sammlung wird dabei zu einem öffentlichen Campus. Ausgangspunkt ist die allseitig geäußerte Feststellung, dass die Designausbildung unter vielfältigen Perspektiven aktualisiert werden sollte. Das Projekt verfolgt das Ziel, den Hochschulen ein erprobtes Spektrum anwendbarer Werkzeuge und Hinweise zu vermitteln, die sie für ihre konkrete Transformation nutzen können. Die Auftaktveranstaltung zu dem Projekt fand am 27. Oktober 2022 im Rahmen eines Symposiums in der Pinakothek der Moderne statt. Zu einzelnen Aspekten einer zukünftigen Designausbildung diskutieren auf der Bühne Michele De Lucchi, Annette Diefenthaler und Gareth Loudon.

In drei Etappen zum Prototyp einer neuen Designausbildung: Ein Gemeinschaftsprojekt der iF Design Foundation x Die Neue Sammlung – The Design Museum

Aktuell scheint das Designstudium überwiegend der Vergangenheit verpflichtet, die nicht-akademische Wirklichkeit entfernt sich dabei zunehmend in eine andere Richtung – die Praxis eilt der Ausbildung voraus. Die iF Design Foundation beschäftigt sich bereits seit 2015 mit der Zukunft der Designausbildung. Für sie ist die Entwicklung von Prototypen einer nach vorn gerichteten Designausbildung der nächste logische Schritt ihrer Forschungsarbeit. 2021 veröffentlichte die Stiftung das „Weißbuch zur Zukunft der Designlehre“, dem ein sechsjähriger internationaler Forschungs- und Rechercheprozess vorausgegangen war. Aktuell arbeitet sie an einer umfassenden Studie zum Public Value sämtlicher deutscher Design-Studiengänge.

„Wir freuen uns außerordentlich, mit der iF Design Foundation einen Partner an unserer Seite zu haben, der die Inhalte einer zukunftsfähigen Ausbildung für junge Designerinnen und Designer thematisiert.“

Prof. Dr. Angelika Nollert
Direktorin der Neuen Sammlung

Die Neue Sammlung erweist sich für das nun gestartete, auf drei Jahre angelegte Campus-Projekt als der perfekte Partner. Während die eine Institution intensiv zu einem Thema forscht, bietet die andere eine Plattform für aktuelle Designdiskurse. „Wir freuen uns außerordentlich, mit der iF Design Foundation einen Partner an unserer Seite zu haben, der die Inhalte einer zukunftsfähigen Ausbildung für junge Designerinnen und Designer thematisiert,“ so Prof. Dr. Angelika Nollert, Direktorin der Neuen Sammlung. „Auch für uns ist dieser komplexe und umfassende Prozess von großer Bedeutung, weil er das Verständnis und die Gestaltung von Design beeinflussen wird. Es ist uns wichtig, in Hinblick auf den 100. Geburtstag der Neuen Sammlung im Jahre 2025 das Museum auch in seiner Verantwortung für die Lehre vorzustellen. Ich bin stolz, dass eine Institution wie Die Neue Sammlung ein lebendiger Ort des Austauschs ist, in dem es nicht nur um vergangene und aktuelle Phänomene des Designs geht, sondern vor allem auch um Positionen der Zukunft.“ Christoph Böninger, Chairman der iF Design Foundation, ergänzt: „Wir hätten uns keinen besseren Partner als Die Neue Sammlung für die Entwicklung und Diskussion unseres ‚Prototypen‘ vorstellen können – einen öffentlichen Ort, an dem Designinteressierte Einblick erhalten in die Inhalte und Themen, mit denen sich das Design der Zukunft und damit auch die Designausbildung beschäftigen muss.“

Das Symposium zur Zukunft des Designs und der Designausbildung als Kick-Off-Event: Denkanstöße zu wesentlichen Themen

Zum Auftakt des Campus-Projektes luden Die Neue Sammlung und die iF Design Foundation zu einem öffentlichen Symposium am 27. Oktober 2022 in das X-D-E-P-O-T der Pinakothek der Moderne ein. Michele De Lucchi (AMDL Circle, Mailand) sprach eingangs über „Design and Inspiration“. Der 1951 geborene Italiener zählt zu den wichtigsten Designern und Architekten unserer Zeit. Als Mitbegründer zweier bedeutender Designbewegungen des 20. Jahrhunderts – Alchimia und Memphis – hat er Geschichte geschrieben. Im Laufe seines Lebens entwarf er Möbel für die bekanntesten italienischen und europäischen Unternehmen und realisierte zahlreiche architektonische Projekte in Italien und im Ausland. Seit 2001 lehrte Michele De Lucchi an der IUAV in Venedig; 2008 wurde er zum Professor an der Fakultät für Design des Politecnico Mailand und zum Mitglied der Accademia Nazionale di San Luca in Rom ernannt.

„Mein Fazit aus Jahrzehnten der Lehre: Die wichtigste Inspirationsquelle ist der Dialog,“ so Michele De Lucchi. „Und zwar der Dialog nicht nur zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern auch der zwischen Wissen und Verantwortung jedes einzelnen, in der Reflektion des individuellen Tuns.“ Als weitere wichtige Inspirationsquelle nannte De Lucchi, der kürzlich sein 70.Lebensjahr vollendete und mit diesem Datum (entsprechend der italienischen Statuten) seine Professorentätigkeit beendete, Umwege zu akzeptieren: „Wenn man innovativ sein möchte, muss man manchmal dahin gehen, wo niemand anderes hingeht,“ zeigte er sich überzeugt. „Fehler zu machen ist dabei kein Problem, so lange man versteht, wenn man einen Fehler gemacht hat.“ Schließlich bezeichnete er das Leben selbst als wichtige Inspirationsquelle, denn: „Wir gestalten nicht nur Objekte oder Produkte, sondern den alltäglichen Umgang damit und damit das Verhalten der Nutzer.“

„Wenn man innovativ sein möchte, muss man manchmal dahin gehen, wo niemand anderes hingeht.“

Michele De Lucchi
AMDL Circle, Mailand

Wie lehrt man Kreativität? Wie lehrt man emotionale Intelligenz oder Vertrauen?

Gemeinsam mit Annette Diefenthaler (IDEO, San Francisco) und Gareth Loudon (Royal College of Arts, London) bildete Michele De Lucchi das Podium, das sich im Anschluss zur Zukunft des Designs und der Designausbildung austauschte. „Innovation muss nach den Ergebnissen unserer Forschung eines der Hauptthemen der Designausbildung sein,“ so der Moderator René Spitz (Mitglied des Vorstands der iF Design Foundation).

Er wandte sich zum Einstieg in die Diskussion an den Londoner Designprofessor Gareth Loudon als Experten für die Vermittlung von Innovation. Der Schlüssel dazu seien Soft Skills und emotionale Intelligenz – von Vertrauen über Respekt bis zu Kreativität und Einfühlungsvermögen. „Doch wie lehrt man Vertrauen? Wie lehrt man emotionale Intelligenz?“ fragte Spitz den Londoner Gast. Und die anwesende Runde allgemein: „Wie lernen wir überhaupt? Wann sind wir bereit dafür? Welche Umstände sind erforderlich? Welche Voraussetzungen muss der Student persönlich mitbringen? Wie muss die konkrete Lernsituation gestaltet sein? Wie lehren und lernen wir Kreativität? Wie wichtig ist Kreativität? Warum ist es für die Zukunft der Designausbildung notwendig? Was müssen wir als Designer über Anthropologie, Psychologie, Technik wissen? Und was lernen wir daraus für ein besseres Design und für die Zukunft der Designausbildung?“

Gareth Loudon zeigte sich, wie vorab schon Michele De Lucchi, überzeugt, dass Dialog ein wichtiges Werkzeug beim Lernen ist: „Anderen zuhören, aber auch in sich selbst hineinhören ist meiner Meinung nach wesentlich. Dialog bedeutet nicht nur Aktion, sondern ist immer in Balance mit Reflektion zu sehen.“ Emotionale Intelligenz zu lehren, sei nicht einfach. „In unseren Programmen lehren wir sie nicht direkt, aber praktizieren sie intensiv. Und wir unterstreichen die Bedeutung von Empathie. Auch Vertrauen versuchen wir zu vermitteln. Indem unsere Studierenden in diversen Teams arbeiten, lernen sie, Menschen mit dem erforderlichen Einfühlungsvermögen zuzuhören, die einen ganz anderen Hintergrund haben als sie selbst. Aus diesem Verständnis erwächst Vertrauen.“

Annette Diefenthalers Designpraxis findet interdisziplinär statt, nicht isoliert. Die Designerin (IDEO, San Francisco) hat sich u.a. auf das Thema „Design and Transdiscliplinarity“ spezialisiert. Ab Januar 2023 wird sie ihre Expertise als Leiterin eines neuen Design-Instituts in die Technische Universität München (TUM) einbringen. „Design ist eine Disziplin, die sich ständig weiterentwickeln muss; Transdisziplinarität bedeutet also eine Evolution der Designpraxis,“ stellte René Spitz fest. Und fragte Annette Diefenthaler: „Wie lernen wir das in unserem Studium oder durch unser Studium? Wie muss sich das Studium dafür verändern? Designer und Designerinnen müssen ihre Kreativität auf zunehmend komplexe und verantwortungsvolle Herausforderungen richten. Eignen sie sich dafür die richtigen Werkzeuge und die erforderliche Weisheit in ihrer Ausbildung an? Wie muss sich das Studium dafür verändern?“

An Michele De Lucchi gewandt, der sich selbst als einen Gestalter bezeichnet, der mit dem Zeichenstift in der Hand denkt („Thinking with Hands“), wollte René Spitz wissen: „Dieses Zusammenspiel von Hand und Kopf, die gegenseitige Abhängigkeit von Vorstellungskraft und Ausdruckskraft – inwieweit muss das schon vor dem Studium beherrscht werden? Was muss im Designstudium handwerklich gelernt werden? Und wie wird sich künstliche Intelligenz darauf auswirken?“

„Design ist eine Disziplin, die sich ständig weiterentwickeln muss.“

Annette Diefenthaler
IDEO, San Francisco

Ein Ausblick auf das Campus-Projekt der iFDF x DIE NEUE SAMMLUNG 2023-2025:
Die nächsten Termine und Veranstaltungen

Christoph Böninger dankte dem Podium abschließend für die ersten Denkanstöße. „Die Diskussion riss wichtige Fragen an, deren Beantwortung wir als unsere Hausaufgaben für die kommenden Jahre begreifen,“ stellte der Chairman der iF Design Foundation fest. „Auch wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Antworten geben können, haben wir Sie alle heute Abend auf die Themen aufmerksam gemacht, die wir im Rahmen des Campus-Projektes diskutieren müssen.“ Er gab einen Ausblick auf die nächsten Schritte des Projektes, das 2025 – zum 100. Geburtstag der Neuen Sammlung – seinen Abschluss findet. Für das Jahr 2023 sind drei Veranstaltungen (teilweise geschlossen auf Einladung, teilweise öffentlich) geplant: Im März steht das Thema „Learning and Teaching Sciences“ auf der Agenda. Darauf folgen Veranstaltungen im Juni zum Thema „Upskilling“ und im Oktober zum Thema „Public Value“. Jeweils der letzte Tag ist öffentlich, erklärte Christoph Böninger – und lud alle Anwesenden herzlich zur erneuten Teilnahme im X-D-E-P-O-T der Pinakothek der Moderne ein.

Von links nach rechts: Christoph Böninger, Gareth Loudon, Annette Diefenthaler, Angelika Nollert, Michele De Lucchi, René Spitz.

— Alle Fotos: Steven Stannard. © iF Design Foundation