Dr. Petra Kiedaisch ist die Verlegerin von „av edition – Verlag für Architektur und Design“. Dieses Frühjahr erscheint dort auch das von der iF Design Foundation herausgegebene „Weißbuch zur Zukunft der Designlehre – Designing Design Education“.
Gemeinsam mit dem Verlag konnte die Stiftung das Weißbuch von Beginn an entwickelt – vom Konzept über die Gestaltung bis zur Wahl von Papier und Druckverfahren. Ein Gespräch mit Frau Dr. Petra Kiedaisch über ihre Sicht auf die Zukunft der Designslehre.
Design und Architektur, damit beschäftigen Sie und Ihr Verlag sich jeden Tag. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach das Thema Lehre und Vermittlung von Design in der Literatur?
Dr. Petra Kiedaisch: Im deutschsprachigen Raum einen ziemlich hohen Stellenwert. Hier gibt es außergewöhnlich viele Fachbücher und wissenschaftliche Ratgeber über die Vermittlung und Lehre einzelner Haltungen, Strategien und Methoden in Designtheorie, -studium und -praxis. Ich denke, da haben wir eher ein akademisches Überangebot. Woran es aber oft mangelt, ist die interdisziplinäre Perspektive oder der internationale Vergleich. Jemand muss auch mal über den Tellerrand gucken. Deshalb war es höchste Zeit für das „Weißbuch“ und seine Recherche, in die 250 Expertinnen und Experten auf vier Kontinenten eingebunden waren.
Verlegerisch ist uns dabei auch „Edutainment“ wichtig: Designer sind meistens Bildmenschen, die Texte zuerst grafisch und dann inhaltlich wahrnehmen. Lesen muss ihnen optisch Lust machen – ein Ansatz, der auch im „Weißbuch“ verfolgt wurde.
Was sind für Sie die wichtigsten Stellschrauben des Designstudiums, damit es zukunftsfähig bleibt und damit künftige Designerinnen und Designer befähigt werden, den Wandel positiv mitzugestalten?
Dr. Petra Kiedaisch: Neben den praktischen Grundfertigkeiten: eine inerdisziplinäre Neugier und die Fähigkeit zu Abstraktion, Reflexion, Bewertung und Neujustierung. Das sind alles Eigenschaften, die durch Algorithmen nicht so leicht zu ersetzen sind. Je mehr im Design der Prozess und nicht das gestaltete Ergebnis zählt, umso mehr müssen Designerinnen und Designer in der Lage sein, ein Produkt, ein Konzept, eine Dienstleistung oder Idee in allen relevanten Facetten durchzuspielen und immer wieder neu zu definieren.
Sie haben Germanistik, BWL und Literaturvermittlung studiert. Würde Sie rückblickend auch ein Designstudium reizen und wenn ja, welcher Bereich und warum?
Dr. Petra Kiedaisch: Mein Herz gehört den Geisteswissenschaften, daher würden mich die Schnittstellen wie Designphilosophie oder Design und Ethik interessieren. Diesen Grenzbereichen wird vor dem Hintergrund Künstlicher Intelligenzen in Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen.
Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, an welcher Designhochschule hätten Sie zu welchem Zeitpunkt oder bei welchem Dozenten gerne die Vorlesungen besucht und warum?
Dr. Petra Kiedaisch: 1954-58 Max Bense an der Hochschule für Gestaltung Ulm. Er hat in dieser Zeit seine „Aesthetica“ entwickelt und muss ein auratischer Dozent gewesen sein.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der iF Design Foundation?
Dr. Petra Kiedaisch: Über den Vorstandsvorsitzenden, Christoph Böninger. Er ist seit vielen Jahren ein geschätzter Autor unseres Verlags, wir haben bereits einige Bücher gemeinsam veröffentlicht. 2020 kam die Unterstützung unseres Nachwuchsautors Felix Torkar hinzu, dessen außergewöhnliche Masterarbeit über „Apple Design“ mithilfe der iF Design Foundation und einem Vorwort von Christoph Böninger erschienen ist.
Wie würden Sie für sich den Begriff Design definieren?
Dr. Petra Kiedaisch: Das maße ich mir gerade als Sprachwissenschaftlerin nicht an. Darin waren sich ja nicht einmal die Designerinnen und Designer der „Weißbuch“-Studie einig. Ein offener Design-Begriff gefällt mir auch viel besser.