September 2021

Ein Gespräch mit Eva Müller über Design in der Forschung, Lebensmittelabfälle und einiges mehr

Kurzes Interview mit Eva Müller, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin der iF Design Foundation

Eva Müller war bis 31. März 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der iF Design Foundation. Sie hat Industriedesign in Wuppertal und Cincinnati studiert und als Industrie- und Interfacedesignerin gearbeitet, bevor sie einen weiterführenden Master-Abschluss im Strategischen Design mit einem Schwerpunkt in Nachhaltigkeit absolvierte. Aktuell arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Nachhaltiger Ernährung an der TU Berlin.

Liebe Eva, du hast in der Vergangenheit als freiberufliche Designerin und als Inhouse-Designerin u.a. bei Vorwerk gearbeitet. Was hat dich bewogen, deine berufliche Karriere zu unterbrechen und zurück an die Uni zu gehen?

E.M.: Ich sehe den Einschub eines Masterstudiums nicht als Unterbrechung, sondern als Weiche in eine neue Richtung und wichtigen Teil meiner Karriere. Während meiner Zeit als angestellte Designerin habe ich viel über die Prozesse in Unternehmen erfahren und einen Teil der Wirtschaft kennengelernt, auf den ich durch mein technisches und auf Massenproduktion in einem globalisierten Markt ausgelegtes Studium bestens vorbereitet war. Doch die Vorzeichen ändern sich rasant und vieles muss neu gedacht werden, um den Anforderungen an eine zukunftsfähige und nachhaltige Gesellschaft gerecht zu werden – ob Konsumgüter, Globalisierung an sich, Produktionsprozesse etc. Auch weil sich das Kaufverhalten der Konsumenten und Konsumentinnen ändert.

Um diesen Wandel aktiv mitgestalten zu können, bedarf es anderer Gestaltungsmethoden und -fertigkeiten, als für das Design von Produkten. Dafür bot mir der Master an der Uni Wuppertal sehr gute Voraussetzungen, vor allem durch die Kooperation mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Ich hatte das Glück, dort meine Masterarbeit im Bereich Nachhaltige Ernährung schreiben zu können und im Folgenden eine Anstellung innerhalb des Forschungskonsortiums zu bekommen. So konnte ich tiefe Einblicke in die Nachhaltigeitsforschung erlangen.

Was bedeutet Nachhaltigkeitsforschung?

E.M.: Das WI forscht in Bereichen, die eine nachhaltige Transformation vorantreiben, zum Beispiel in Bezug auf zukunftsfähige Mobilitätsstrategien oder wie eine Kreislaufwirtschaft funktionieren kann; oder eben im Bereich nachhaltiger Ernährung. Der Schwerpunkt meiner hier entstandenen Masterarbeit war das Thema Biodiversitätssteigerung. Das ist ein super spannendes und sinnstiftendes Feld für mich und deswegen freue ich mich, dass ich in dem Gebiet nun auch als Designerin arbeiten kann.

Was machst du da genau?

E.M.: Ich arbeite als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin. Zum Beispiel in einem Forschungsprojekt zur Erhebung von Lebensmittelabfällen in Privathaushalten. Bis 2030 sollen alle Lebensmittelabfälle in Deutschland um 50% reduziert werden und dafür müssen Strategien entwickelt und entschieden werden. Hier bin ich einerseits in der Wissenschaftskommunikation tätig, andererseits gehört zu meinen Aufgaben auch User-Experience-Design in Reinform: Teilnehmende Privatpersonen müssen für das Projekt interessiert und zum Mitmachen begeistert werden: Sie sollen nämlich in ihrer Freizeit jedes Mal, wenn sie Lebensmittelabfälle wegwerfen, diese wiegen und einen relativ komplexen Fragebogen ausfüllen. Da ist es schon eine Herausforderung, die Leute dafür zu motivieren. Das Mitmachen muss einerseits so komfortabel und einfach wie möglich gestaltet sein und gleichzeitig müssen präzise Ergebnisse für die Forschenden herauskommen. Dazu kommt, dass die Teilnehmenden keinen direkten Nutzen haben, außer dass sie sich für eine bessere Zukunft engagieren und einen Teil zur Müllreduktion beitragen können – was aber ja ehrlich gesagt mehr als genug ist. Und dann gibt es in der Forschung kaum Bewusstsein für Design, der Mehrwert wird noch nicht so klar erkannt wie in der Wirtschaft. Hier setze ich an.

Für die iF Design Foundation hast du dich mit dem Thema Zukunft der Designausbildung beschäftigt, wie passt das zusammen?

E.M.: Es passt so gut, als könnte es gar nicht anders sein! Das Berufsfeld Design bietet so viel mehr, als Produktgestaltung und Styling, wie es von vielen leider immer noch wahrgenommen wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit unserem Beruf und den damit verbundenen Fähigkeiten einen wichtigen Teil zu einer lebensfähigen Zukunft beitragen können, dass wir zu Zukunftsgestaltern werden können. Das ist eine so riesige und unfassbar wichtige Aufgabe, die ist nicht allein zu bewältigen. Deswegen braucht es mehr denn je den Zusammenschluss sämtlicher Disziplinen. Wenn man im Bereich Nachhaltigkeit oder Kultur- und Gesellschaftswandel etwas bewegen möchte, geht es meiner Meinung nach nur Hand in Hand mit Wirtschaft, Politik, Forschung und freien Disziplinen wie Kunst oder Philosophie.

Durch meine Tätigkeiten an der Uni bin ich mittendrin – kann einerseits durch meine Arbeit die Forschungsvorhaben praktisch und strategisch unterstützen und andererseits Erfahrungen sammeln: Welche neuen Anforderungen müssten an eine Designausbildung gestellt werden, wenn Design auch einen festen Platz in Forschung und Politik erhielte?

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